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Mit Zen zu einem neuen Verständnis für meine Familie

Mit Zen zu einem neuen Verständnis für meine Familie:
Konflikte anders erleben und lösen

von einem Zen-Schüler

Seit mehr als drei Jahren gehe ich jetzt den Weg des Zen als Schüler von Hinnerk Polenski und erlebe immer wieder, dass Zen und die tägliche Übung im Zazen mir mein eigenes Handeln bewusst machen. Ich erkenne anerzogene, erlernte Verhaltensweisen, kann sie durchschneiden und durch angemessenere ersetzen. Ein mich sehr bewegendes Beispiel dafür habe ich gerade mit meiner jüngsten Tochter erlebt.

Nach einem aufreibenden Arbeitstag komme ich an einem Montagabend nach Hause. Es ist eine Zeit, in der ich mich schon zum nächsten Sesshin angemeldet habe. Ich sehne es herbei, weil ich merke, dass es um meine Energie nicht zum Besten steht. Bereits mit dem Betreten des Hauses spüre ich die elektrisierte Stimmung: Hier ist heute irgendetwas nicht gut gelaufen.

Meine Frau klärt mich auch gleich nach der Begrüßung auf. Wir haben zwei Töchter, zwölf und fünfzehn Jahre alt. Gestern, am Sonntag hatte nun unsere jüngere Tochter eine wirkliche Gemeinheit begangen, die ihre Schwester bei deren Freundinnen in ein schlechtes Licht setzen sollte. Heute morgen kam also die nichts ahnende Ältere in der Schule in arge Bedrängnis und war nun verständlicherweise empört. Das ist nicht das erste Mal, dass die Schwestern heftige Konflikte miteinander austragen. Diese Eskalationsstufe aber ist neu und wurde bereits am Nachmittag konfliktreich besprochen und mit Stubenarrest bestraft.

In mir regen sich heftige Gefühle: Wie kann meine Tochter nur so etwas tun? Was für eine bodenlose Gemeinheit. Tiefer Vertrauensbruch. Warum muss mein Feierabend in diesem Chaos stattfinden? Das hat doch einen Hintergrund. Den will ich wissen und begreifen, nicht bestrafen. Mit dieser Intention - eigentlich ja einer positiven - betrete ich das Zimmer meiner Kleinen. Ich setze mich zu ihr und frage sie nach dem "Warum das alles?" Aber meine Haltung, mein Ton, meine Sprache sind trotz der eigentlich guten Intention auch geprägt von meinen anderen Gefühlen, von Ärger und Enttäuschung. So erhalte ich von meiner Tochter auch keine Antworten und werde nur stumm angefunkelt. Letztlich verlasse ich den Raum mit noch widerstreitenderen Gefühlen.

Es folgt ein stummes gemeinsames Abendessen und ein langes Gespräch mit meiner Frau bei einem Abendspaziergang. Kurz bevor ich zu Bett gehe schaue ich noch einmal ins Zimmer meiner Kleinen, um nachzuschauen ob sie schläft. Es ist inzwischen 23 Uhr. Sie schläft wie ein Murmeltier. Aber mich erwartet dort eine von ihr geschriebene Geschichte. Es geht darin um ein Mädchen, das ihrer Freundin von zuhause berichtet. Davon, dass sie von ihren Eltern nicht geliebt wird und sie am liebsten abhauen würde. Manchmal würde sie sich sogar das Leben nehmen wollen. Die Freundin rät ihr, das alles nicht zu tun. Die Geschichte ist detailreich geschrieben. Einiges ist ganz klar ohne jeglichen Realitätsbezug, anderes hingegen beschreibt sehr gut unser Haus und unsere Familie.

Nun rotieren meine Gedanken richtig. Sorgen mischen sich mit Lösungsstrategien und auch mit dem Ärger darüber, dass an Schlaf jetzt nicht mehr zu denken ist, den ich auch dringend nötig habe. Das ist ein schönes Gedankenkarussell, das da Fahrt aufnimmt, ohne dass ich in dieser Nacht eine echte Lösung finden könnte. So stehe ich also auf, gehe auf meine Matte und mein Bänkchen und sitze im Zazen.

In den ersten beiden Runden à 25 Minuten dreht sich das Gedankenkarussell weiter und weiter. Meine Übung schafft es, sich für Augenblicke dazwischen zu drängen. In der dritten Runde werden Sorgen und Ärger plötzlich hinweggefegt. Es passiert schlagartig. Ich spüre in mir Liebe. Es ist eine Liebe tief in mir, die nicht nach dem Warum fragt, die mich trägt, meine Frau, meine Kinder, ja alle und alles in dieser Welt. In der Not dieser Nacht fühle ich mich mit einem Mal geborgen. In der vierten Runde löst sich auch dieses Gefühl auf. Kein Gedanke mehr, kein Gefühl mehr für Körper, Raum und Zeit. Jetzt ist Stille.

Aus dieser Stille heraus lege ich mich ins Bett und schlafe selbst wie ein Murmeltier. Am nächsten Morgen mache ich wie üblich das Frühstück für alle, heute ohne meine morgendliche Runde Zazen davor. Ich wecke meine Tochter und nehme sie in den Arm. Meine Worte und meine Haltung sind jetzt angemessen. Und ich erfahre und verstehe jetzt auch alle Hintergründe, die zum Chaos des Vortages geführt haben. So kommt Ruhe und Klarheit in die Gesamtsituation. In den nächsten Tagen sprechen wir alle noch ausführlich über das Thema und finden so zu einem ganz neuen Verhältnis und Verhalten zueinander. Das ist für mich immer wieder der Weg des Zen: Indem ich in mir selber Gelassenheit und Harmonie finde, verändert sich auch meine Welt.