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Hara - die Erdmitte des Menschen

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Zen Rohatsu Sesshin Januar 2017

 

hara no dekite hito. hara no dekite inai hito wa hito no ue ni tatsu koto ga dekinai.

Hara - die Erdmitte des Menschen.

hara no dekite hito, das heißt: ein Mensch mit großem Bauch. Im japanischen heißt es weiter: hara no dekite inai hito wa hito no ue ni tatsu koto ga dekinai, ein Mensch ohne Bauch kann nicht führen, weder sich noch andere.

Hara ist die Basis des Rinzai-Weges. Aristoteles hat einmal gesagt: „Gott ist eine übermenschliche Herausforderung.“ Man kann auch sagen: Erleuchtung, Befreiung, die große Befreiung ist eine übermenschliche Herausforderung. Deshalb wird dem Zen-Schüler eine besondere Übung, besondere Übungen angetragen, die außergewöhnliche Kräfte öffnen. Diese Kräfte sind nicht dazu da, Bretter zu durchkloppen oder irgendwelche Kampfkünste zu bedienen oder sonst irgendwas zu tun, obgleich man diese Kräfte sehr gut im Führungsalltag oder in der Selbstführung anwenden kann. Dieses ist aber nicht der Sinn.

Nicht wer tausend Helden auf dem Schlachtfeld schlägt, sondern nur der alleine, der sich selbst besiegt, ist ein wahrer Held oder eine wahre Heldin.

Nun ist es so, dass wir Menschen immer wieder vor uns selber stehen, unserem Widersacher, der genauso schlau, genauso intelligent ist, aber noch ganz andere Mittel, nämlich Emotionen, Bequemlichkeit und Körper einsetzen kann. Deshalb braucht es besondere Mittel, um an einer entscheidenden Stelle im eigenen Leben durchzubrechen - sich selbst zu besiegen. Sei es im Kleinen, dass wir selbstzerstörerische Programme aufgeben, wie im Äußerlichen Rauchen oder zu viel Alkohol oder Kiffen oder Schlimmeres, oder im Inneren Kräfte der Selbstzerstörung, und andere zwanghaft zu verletzen. Wenn das so einfach wäre, dann wäre diese Welt friedvoll. Hara ist das erste Mittel, das wir bekommen, das wir öffnen können, um einen Weg über uns hinaus zu gehen, über uns hinaus.

Hara no aru hito ist der Mensch mit Bauch - mit Hara. Diese Kraft ist notwendig, um sich selbst zu besiegen. Denn wenn ich den Weg mit mir selber gehe, dann ist es so, dass der Widersacher alles aufbietet, nämlich mich selbst. Und das kann er so tun, dass nichts übrig bleibt außer dieses Selbst, dieses scheinbare Selbst, dieses Ich-Selbst, und die Emotion, die dann entsteht, ist ausschließlich; das ist die Schwierigkeit für uns Menschen. Ich kann neben einen Gedanken einen anderen setzen, aber erst mal neben eine Emotion keine andere. Selbst wenn ich in einem Sein voller Wut, einem zornigen, hassvollen immer wieder auftauchenden Sein bin, wird es mir nicht gelingen - auch wenn es in Büchern nett heißt: Man soll sein Herz öffnen - das zu tun. Weil mich diese Aggression komplett ausfüllt, weil mich diese Gier komplett ausfüllt, weil mich diese Angst komplett ausfüllt, weil mich dieses Unvollständigsein und nicht-Genügen vollkommen ausfüllt, weil die Zweifelsucht mich vollkommen ausfüllt, weil sonst da nichts ist, und ein Gedanke seine Ohnmacht zeigt und mehr nicht.

Hara ist der erste Schritt in der Unbedingtheit, den wir in die Mitte setzen, der eine innere Orientierung ist, eine Erdung, unabhängig von dem, was um uns herum los ist, in uns selbst, an Gefühlen, Körperempfindung und so weiter. Das großartige an Hara ist, dass es sehr leicht zu lernen ist, wenn man ausdauernd ist und den Körper mit hinein bringt. Wenn man den Körpereinsatz nicht schmerzensscheu einsetzt, um das Hara zu vertiefen, dann ist Hara leicht zu lernen und bietet in uns eine Mitte, inmitten der verschiedenen Möglichkeiten des Widersachers, uns vom Heilsamen abzubringen.

So lange hara no chiisa hito ist, so lange ein kleiner Bauch da ist, ist Unreifheit da. Unreifheit bedeutet hara ga tatsu der Bauch richtet sich auf, es wird Ärger, Emotionen, Selbstgefälligkeit und Unruhe, Irritierung. Aber wenn der Bauch sich senkt, wenn ihr diesen Kontakt habt zu Hara - und sei er ganz sanft und klein - dann entsteht hara no neru, die Aufrufung aller Kräfte. Das sind nicht die Kräfte im Moment, wie wenn ich ein Brett durchschlage, im Karate oder Taekwondo, sondern das ist die Aufrufung aller Kräfte in Ausdauer, die Aufrufung aller Kräfte in einer sanften weiblichen Linie von Ausdauer. Und so entsteht das wichtigste: hara gei. Hara gei das Wirken im Hara - und in unserem Fall ist es das Wirken in Stille, das Sitzen in Kraft und Stille. Das ist der Kern von Sitzen in Kraft und Stelle. Das ist das Instrument für Sitzen in Kraft und Stille, unabhängig von dem, was auf uns zukommt. Und das was auf uns zukommt ist unser Kama, unsere Vergangenheit, unsere Verletzung, unser nicht-Genügen. Ein Mensch, der zwanghaft andere verletzt, ist ein kleiner Mensch mit kleinem Bauch. Ein Mensch, der sich selbst erniedrigt, hat einen kleinen Bauch; ein Mensch, der zwanghaft Dinge tut, die ihm schaden, wie Rauchen, Kiffen und zu viel Alkohol oder andere Dinge hat einen ganz kleinen Bauch, der sich weiter verkleinert, er verliert den Kontakt zu sich selbst. Mangelndes Selbstwertgefühl ist auch eine Dimension, den Kontakt zu einem selber vollkommen abbrechen lassen kann. Hara ist der Weg, diesen Kontakt auf eine sichere Art und Weise, sanft wie ein Schneeglöckchen im Schnee, wie die ersten Blüten im Frühling, zu halten.

Hara gei ist die Voraussetzung. Hara no nai hito geübtes Hara. Der Mensch mit geübtem Hara führt zu hara gei. Das ist die Linie im Chaos, die erste, die wir haben, im Chaos unserer eigene Vergangenheit. Die erste Linie zur Befreiung. Hara, der erste Meilenstein des Daishin Zen, ist noch kein Bewusstseinssprung, deshalb gibt es auch immer wieder Situationen, wo von Menschen berichtet wird, die Hara nur für Krieg oder Kräfte oder Macht benutzen; ja, das ist möglich, denn es ist noch kein Herz drinnen. Aber es ist dennoch für den spirituellen Weg das Fundament, die Basis, der Anker, der mich in Kraft und Stille führt, damit mein Herz sich in dem Wahnsinn unserer eigenen Emotionen überhaupt zart öffnen kann.

Zwischen Herz und Hara ist ein tiefes Geheimnis. Erst dann wird Hara zu einem spirituellen Weg. Aber jetzt und hier ist Hara einfach nur die Linie der Orientierung, das Seil am Berg, das uns den Weg zeigt und nicht die Emotionen und Bedürfnisse und all die Dinge, die aufkommen werden aus all der Tiefe und kleinen Bedingtheiten. Deshalb ist die Übung des Hara auf einem Rohatsu Daishin Sesshin von großer Wichtigkeit. Es macht uns sicher, kraftvoll. Es lässt uns den Weg durch das Sesshin sicher erreichen. Hara gei - handeln, wirken aus Hara. Das Einüben des Hara ist die Voraussetzung. Es gibt im Daishin Zen sehr viele Hara-Übungen, die mit Körper verbunden sind und die eher mit mentaler Energie verbunden sind und die, die mit beiden verbunden sind. Es ist wichtig für jeden, seine eigene Übung herauszufinden. In jedem dieser drei Bereiche gibt es verschiedene Übungen, weil wir auch verschiedene Menschen sind. Lasst uns den Weg beginnen: Ausatem betrachten, fallen lassen, loslassen, im Bauch-Beckenbereich niederlassen, im Ausatmen den Kopf-Schulter-Bereich loslassen, fallen lassen, im Bauch-Beckenbereich niederlassen.

Wunderbar.

 

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