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Angst im Herzen auflösen

Vortrag - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Audio-Vortrag von Zen-Meister Hinnerk Polenski

 

Ängste auflösen durch unser Herz.

An der Oberfläche unserer Gesellschaft, unserer Zeit, so hat man mir erzählt, ist Glück oder auch Glücksforschung - die Suche nach Glück - wichtiger geworden als die Suche nach Kohle oder Energie oder Technologie. Das ist ein sehr guter Schritt, weil die Entwicklung von Wohlstand und Konsum und Wirtschaft ein Fundament ist, aber niemals der Sinn unseres Seins sein kann. Wenn wir von Herz sprechen, oder von Liebe, dann werden helle Bilder gemalt von Kindern auf einer Wiese mit gelben Blüten und Familie, Menschen, die sich umarmen in Freundschaft und Frieden auf dieser Welt, schöne Bilder. Es sind auch Bilder von lächelnden Meistern, von Spiritualität, die in Helligkeit stattfindet. Manchmal berührt uns irgendetwas, was wir mit dem Herzen in Verbindung bringen, einen Moment lang; eine Sehnsucht ist da, und einige wenige machen sich auf den Weg. Herz wird mit Liebe und Leichtigkeit und Helligkeit in Verbindung gebracht, und ich werde häufig gefragt, wie kann ich Glück üben oder wie kann ich meinen Herz Weg üben. Es gibt sogar Menschen, die sprechen von Herzarbeit - wie Gartenarbeit, und es ist ein Bild, das wirklich nur sehr zum Teil stimmt und meist sind es Plakate, die mehr Irritation auslösen, als das sie hilfreich sind.

Ich möchte ein ganz anderes Bild malen, das vielleicht da anfängt, wo wir sind. Wer läuft schon die ganze Zeit mit Lächeln in Glück und Glücksseligkeit durch die Gegend? Auch die Meister nicht. Immer mehr Menschen haben das Glück, ein Herz zu besitzen, und die Liebe adelt uns. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Wo beginnen wir? Schauen wir uns unsere Herzen einmal an. Ein Kind und Eltern, die keine Zeit haben, ein Vater, der sagt seiner Tochter: "Nur wer leistet wird geliebt", oder dem Sohn: "Wenn du nicht dein Abitur schaffst, wirst du Müllmann", oder eine Mutter, die vielleicht zu ihrer Tochter sagt: "Weißt du, wenn du nicht geboren worden wärst, hätte ich deinen Scheiß-Vater nicht geheiratet". Eine Zeit, wo wir unsere Eltern lieben, aber nicht - wie heutzutage, wenn unsere Beziehung nicht mehr klappt - einfach weggehen können und einen neuen Partner suchen, sondern die Liebe zu unseren Eltern ist existenziell. Es gibt keine zweite Mutter.

Und in der Pubertät, wo wir an die Romantik glauben und wo es plötzlich nur um Tinder und Ficken geht und viel Schmerz entsteht, aus viel Wahnsinn, wo wir glauben, so und so muss das und das sein, und all diese Dinge, Enttäuschung, das Ausgebremst werden und unsere Euphorie als Kinder: "Ihr werdet schon lernen, wie die Welt hart ist" oder solche Sprüche wie "Das Leben ist kein Ponyhof, ha ha ha". Das sind Sätze von Menschen, die gescheitert sind, die ihr Herz verloren haben. Wie sieht denn das Herz aus? Was fühlen wir denn, wenn wir unser Herz fühlen? Die meisten, die ich kenne, wunderbare Menschen, trauern: Schmerz, Angst! Und niemand sagt ihnen: Das ist ihr Herz. So wie man sagt: "Ja, da musst du dich dran gewöhnen" und "Man setzt sich hier in der Welt durch" oder "Das sind verständliche existenzielle Ängste", "Na ja, Scherz, Herz geht, vergeht", "Liebeskummer ist schon eine harte Sache, aber eine Frau geht, zehn neue kommen", Tatü, tata".

Aber niemand erklärt uns, dass der Schmerz, dass wir ihn überhaupt spüren, dass wir überhaupt Liebe spüren und die damit verbundene Trauer, wenn ein Mensch geht, den wir geliebt haben - dazu braucht man doch ein Herz. Sonst wären wir doch kalte Maschinen, uninteressiert am Kommen und Gehen der Menschen, der Lieben, der Freunde. Und so werden wir älter, und Stacheldraht ist um unser Herz, und Verletzungen sind um unser Herz, und Mauern und Steine. Und viel Ablenkung, Familie, Kinder, Windeln, Hausbau, Kariere, Reisen, und so weiter. Und irgendwann kommen wir irgendwo hin, weil unser Herz im letzten Scheinen sagt, dort ist etwas Gutes, sei es ein Wald, sei es ein Kloster, sei es etwas Lichtes, Helles, und manchmal auch nur ein Buch, und auf einmal ist unser Herz berührt, und es leuchtet kurz auf, und dann ist Schmerz, und dann ist Angst, und dann ist Trauer, und berührt sein, und dann sind Tränen, und dann weinen wir und wir wissen nicht warum, und wir denken, wir sind verrückt. Die Anderen sind verrückt. Und unser Weg ist wahrlich verrückt, ja, das stimmt, aber nicht dieses Herz. Wenn ihr ein kleines Tier habt, das liebenswürdig und klein ist, und ihm nicht zu essen gebt, und dieses Tier schlagt und quält, und dieses Tier mit Säure übergießt, und ihr euch wundert, das dieses Tier Schmerzen hat und nicht lustig ist, wer ist der Irre an dieser Geschichte, das Tier oder unser Herz, oder der, der verletzt?

Wer hat denn schon das Glück, die Leichtigkeit eines Sommertages von dreijährigen Kindern unter Kirschbäumen und Blüte, in der Leichtigkeit bis in den Abend gespielt, als wenn Zeit nicht existiert, in dieser Helligkeit leben bis heute, hierher, mit dreißig, fünfzig, sechzig zu bringen? Niemand! Aber alle Menschen haben ein Herz, mehr oder weniger verletzt, versteckt, verschüttet. Und wenn wir beginnen, den Herz Weg zu gehen, ist Trauer in unserem Herzen. Ein Christ würde vielleicht sagen, vielleicht der heilige Benedictus: "Die Trennung von Gott ist Schmerz", "Die Trennung von unserem Herz ist Schmerz", aber der Schmerz wird größer, wenn dieses Herz aufleuchtet, und für den spirituellen Menschen, für den Weisen, wird der Schmerz auch kurz größer, wenn er sich auf den richtigen Weg aufmacht, denn er muss vielleicht seine letzte Zigarette ausdrücken, die dafür sorgt, dass das Herz-Chakra geschlossen bleibt, oder die Weinflasche zukorken, oder Menschen verlassen, die für ihn unheilsam sind. Aus diesem Grunde geht der Zen Weg im Daishin-Zen ganz speziell nicht einfach den Weg, vom ersten Tag an dieses Herz zu öffnen mit einem riesen "Hurra" und einem Guru Feld und..., sondern langsam euer Herz zu spüren, um zu wissen, es gibt diesen Weg, es gibt uns, und wir sind sehr sensible Wesen, und wir sind empfindsam und voller Weite und Schmerz zugleich. Und dann im gleichen Moment die Übung der Erdung, den Körper, die Erde mitzunehmen auf diesem Weg, als Verbündeten zu machen.

Das ist das Weibliche, der weibliche Aspekt des Zen des Daishin-Zen, die Erde zum Zeugen unseres Herzweges zu machen, das Hara, unsere Erdmitte zu öffnen, das kann man üben. Es ist abhängig von der Menge des Trainings und der Intensität des Trainings, und dann entsteht eine Schale, ein Raum, eine Stille, und dann leuchtet unser Herz vielleicht sanft auf, wie eine Sonne im diesigen Nebel im Morgen aufgeht, wenn durch das Grau ein Hauch von Wärme und rotem Licht strahlt, eine Verheißung... Und dann ist es wieder weg und wir sind wieder in dem Gestrüpp, meinetwegen auf dem Sitzkissen in unseren quirligen Gedankenwahnsinn, oder draußen in irgendetwas verstrickt, und wir beginnen wieder von vorne und dann ist da keine Sonne, und wir sitzen da und üben wieder Hara, wissend, die Erdmitte, der Körper, und vor allen Dingen erst mal die Stille, vielleicht durch Atembetrachtung, ist jetzt wieder erneut der Beginn, wir beginnen wieder neu.

Das Leben ist in jeder Sekunde neu, alles ist immer in jeder Sekunde neu. Leben ist ewig, nur wir nicht. Und dann irgendwann, nach längeren Zeiten des Übens, ist ein Stillhalten, ein Aushalten, und dann ein Erschöpft-Sein und dann eine wirkliche Stille. Und in dieser Weite, in diesem offen gelassenen Raum, leuchtet Güte auf. Da ist noch nichts Aktives, da ist kein Konzept, wir müssen nichts tun, handeln, machen, helfen, rennen, hoch und runter, und zurück, mir vornehmen, alles Mögliche, die ganzen Konzepte - sondern nur diesen Raum geben, diesen Raum, den wir bereit machen können, mehr können wir nicht tun. Wir können bereit sein für Gott. Wir können bereit sein für Herz. Wir können bereit sein für Liebe, und dann leuchtet sie auf, und dann sind wir es. Kokoro, japanisch, Herz. Die Erdmitte, die Stille, fest und ruhig, und die Sonne darüber... Das ist ein ganz neuer Weg, und vielleicht sind wir mit diesem Bild, das wir auf einmal körperlich erfahren, diese Kraft, diese Stille, und dann dieses sanfte Aufleuchten, dieses Warme, Helle, Zarte, und die Wolken, die darüber ziehen, sind keine Wolken, sondern ein Ton von Schmerz, ein Ton von Trauer darüber, wie lange wir wie beschissen mit uns selber umgegangen sind, uns, und das Edelste, wie Nichts und Dreck behandelt. Natürlich ist da Trauer, vielleicht, wie wir mit anderen umgegangen sind, all das. Wir gehen da nicht rein, sondern wir lassen einfach zu, dass die Wolken ziehen, sich auflösen, golden und hell die Sonne über dem Nebel aufgeht, und leuchtet in unseren Herzen und in allen Herzen, denn wenn unser Herz erleuchtet wird werden Wesen geboren, deren Herz auch erleuchtet ist. Das ist das Großartige, die Stille...

Und die Stille ist unser Weg zum Herzen. Wo Liebe ist, da ist Stille. Wenn die Stille aufhört, wird aus Liebe Gier, Verlangen, Ansprüche, Bringschuld. Da wo Stille ist, ist Güte, ein unendlicher Raum, gütig für alles was ist. Und hört diese Stille auf, entsteht Trauer über das Verlassen, und das Verlassen-Werden, und wir kehren wieder zurück. Und das ist der Weg, den wir gehen, Schritt für Schritt, und manchmal ist der Schmerz so groß, das wir anhalten müssen.

Wir leben so in einer Konfetti-Welt, in der Ängste nicht existieren dürfen, und Schmerz nicht existieren darf, zumindest nicht innen und in uns, und erkennen gar nicht, in der zunehmenden Verängstigung unserer Welt, dass das Herz uns heilen kann. Immer mehr Menschen haben Angst in dieser Welt, und die anderen schütteln den Kopf: Es ist eine Welt des Wahnsinns, ja! Heute habe ich gelesen, dass irgendein Präsident irgendwelche Raketen irgendwo schießt, die irgendein anderer abschießt, und beide verfügen über mehr Atomwaffen, als es Menschen gibt hier im Umkreis von hundert Kilometern. Da kann man doch Angst bekommen. Aber da wir die nicht haben dürfen, hat plötzlich ein siebzehnjähriges Mädchen Angst, oder ein zweiunddreißigjähriger arbeitender, hart arbeitender Mann. Und den hält man für verrückt, "Das sind innere Ängste", Panikattacken, "Geh mal zur Klapsmühle", "Nimm mal irgendeine Droge". Wenn mein Schiff absäuft, und ich auf der Titanic bin, und man Angst hat, halte ich das für sehr vernünftig. Nur, wir müssen diese Angst in uns auflösen und in Handlung bringen, das Schiff verlassen oder das Leck stopfen, anderen Menschen helfen , und uns auch, vielleicht einen anderen Kurs einschlagen.

Und dann hilft es vielleicht zu wissen, dass „Herz“ in uralter Zeit auch beherzt hieß, und beherzt ist Mut, und Mut löst jegliche Form von Angst auf. Im Licht dieser goldenen Sonne ist keine Angst mehr. Aber ich sage das so leicht. Aber ich weiß auch, in der Morgendämmerung, in diesem Moment, wo der Morgen noch kalt und dunkel ist, nur ein feiner Streifen da ist von Licht und Helligkeit - dort im Aufgang ist auch unendlich viel Zweifel, Schmerz und Angst da. Denn wir wissen noch nichts von unserer Morgenröte, und Bertold Brecht sagte zu Recht: "Die Morgenröte einer besseren Zeit kommt nicht wie die Morgenröte kommt nach durchschlafener Nacht". Nur heute sind wir an einem Punkt, wo wir wissen, wir sind die Wettermacher unserer eigenen Welt, und beginnen mit Zazen, und mit Offenheit, und bringen die Sonne am Morgen zum Aufgehen, jeder von euch auf seine Art und Weise, und wir wissen, dass das auch mit Ängsten und Schmerzen und Zweifeln zu tun hat. Aber eines Tages werdet ihr vielleicht Menschen und Wesen sein, deren Sonne hell leuchtet und die anderen Menschen helfen. Und vielleicht jetzt erst mal, wenn nur die Sonne am Horizont erscheint, schon ausreichend, um für eure Familie oder Freunde oder Arbeitskollegen oder für diejenigen, die mit uns diesen Weg gehen in der Sangha, für andere diesen spirituellen Weg gehen, zu leuchten. Und das ist das zweite Geheimnis: Wir sind nicht allein. Jeden Tag Zazen, morgens, jeden Tag geht mehr und mehr die Sonne auf, die Sonne unseres Herzens.

 

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