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Grundlagen des Rinzai Zen II - Vom absoluten zum positiven Samadhi

Teisho - Zen-Meister Hinnerk Polenski
Daishin Rinzai Sesshin, März 2017

 

Nichi nichi kore kojitsu

Jeder Tag ist ein guter Tag.

Vor langer Zeit fragte Zenmeister Ummon in einer Versammlung von Schülern: „Sagt mir, was war in den letzten 30 Tagen? Und was wird die nächsten drei Tage sein?“ Bevor irgendeiner antworten konnte sagte er: „Jeder Tag ist ein guter Tag.“

Freiheit ist das höchste Ideal des Rinzai Zen. Wir Menschen sind konditioniert, wenn wir das Wort Freiheit hören: in die Dimension von Freiheit „von etwas“; und dabei sind wir wieder verstrickt. Der erste Schritt aber ist der Schritt zur Freiheit „für etwas“. Um in diese Dimension der Freiheit „für etwas“ zu kommen, brauche ich ein Gespür, eine Idee für dieses „für“. Auf der Grundlage dessen, dass unsere Vorväter und Ahnen, Frauen und Männer für diese Freiheit gekämpft haben, für eine offene Gesellschaft, ist es uns möglich, eine offene Spiritualität zu leben. Aber der Sinn dieses Ganzen erfüllt sich erst dann, wenn diese Freiheit „für“ eine Dimension bekommt, die uns auch innen ausfüllt und nicht nur uns außen Möglichkeiten eröffnet. Denn kenne ich das „für“ nicht, verfehlt die Möglichkeit diese Freiheit zu nutzen und verliert sich in Beliebigkeiten, Gefälligkeit und in die Achtsamkeit die Freiheit zu erhalten. Diesem sich Verlieren, diesem kann sich jetzt in unsere Zeit nur ein tiefes inneres Wahrnehmen, für die Freiheit „für“ öffnen, die uns wieder mit Kraft und Orientierung füllt.

Wenn wir nach innen schauen, nehmen wir tausend Dinge wahr, aber es sind alles Spiegelungen von hunderttausend Dingen im Außen, also sind wir wieder im Außen. Erst die Stille öffnet den Weg der Erforschung unseres wahren Seins in uns selbst. Die Basis dieser Stille ist das Zazen, das Sitzen in der rechten Haltung, und dann aus der rechten äußeren Haltung hineinzufallen in die rechte innere Haltung. Die Basis, das Hara, die Erdung öffnet den Weg zur Erfahrung des Unbedingten und Absoluten. Was ist vollkommene Freiheit? Gibt es etwas Unbedingtes? Was ist nicht vergänglich? Wer bin ich? Diesen Weg muss jeder von euch, diesen Weg müssen wir zusammen, alleine und gemeinsam gehen. Alleine, dass wir diese Erfahrung machen, und gemeinsam, dass wir feststellen, dass unsere Erfahrungen nicht gleich aber auf der gleichen Ausrichtung liegen, auf der Ausrichtung auf das Heilsame. So beginnen Menschen diesen Weg - je tiefer sie kommen, desto ähnlicher ist die Erfahrung, bis der, der den Weg geht, verschwunden ist, und das Eine alles ist und alles ist dieses Eine.

Wenn wir über Spiritualität reden, öffnen sich Unterschiede. Wenn wir Menschen gemeinsam in eine tiefe Erfahrung gehen und schweigen, kommen wir alle zusammen in eine große Einheit – die Sangha, eine sehr tiefe Verbindung von Menschlichkeit und menschlichem Weg. Ich hoffe, unsere Bestimmung, definitiv die Bestimmung eines jeden einzelnen - in meinem Herzen der Wunsch - die Bestimmung auch für uns Menschen. Die Voraussetzung ist Zazen - das Sitzen in Kraft und Stille. Kraft steht für Hara, die Erdmitte. Die Stille ist der Weg von der äußeren Haltung, die angemessen ist zur inneren Haltung, die Stille ermöglicht. Die eigene Übung dann, die Stille vertiefend, die Übung loslassend, der Beginn von Samadhi - Versenkung. Sich selber vergessend, der Übende und die Übung verschwindend, absolutes Samadhi. Das ist das eine große Prinzip des japanischen Rinzai Zen – absolutes Samadhi.

Das andere große Prinzip ist Zen im Alltag. Zu diesem gibt es zwei gigantische großartige Brücken, das eine ist der Do. Der Do ist einfach, wiederholbar und ist körperlich anstrengend. Das andere ist Samu – der Versuch, in eine Arbeit die Erfahrung hineinzubringen. Der Do ist sehr viel einfacher und bildet eine gute Grundlage, Samu - das Arbeiten in Einheit - zu verstehen. Beide zusammen sind eine Brücke für Zen im Alltag, in dem es nichts mehr gibt als das Bezeugen des Sein und die Freiheit mitten hier in dieser Welt. Der Do ist alles das, was nicht Zazen ist. Wenn die Übung zu Ende ist, übe ich Gassho tetto - dies ist keine religiöse Symbolik oder mit irgendetwas verbunden, sondern es ist das erste äußern vielleicht einer heiligen Erfahrung, eurer heiligen Erfahrung. Deshalb braucht es keine Priester, sondern nur euch und die Form. Denn aus dieser Form, die hier an dieser Stelle nur aus zwei Teilen besteht, nämlich – Mudra, Gassho, Tetto, Gassho, Mudra – könnt ihr das was ihr im Zazen erfahren habt, bezeugen, hinein fließen lassen. Diese Übung ist schon sehr ausfüllend. Aus dieser Übung kann ich dann die Übung des Augenbrauen-Ziehens zum Beispiel variieren. Auf einmal ist es ein Unterschied ob ich einfach ... und gar nicht weiß was ich da tue oder Hand-Augenbraue Mudra. So ist der Do unterschiedlich je nach Übung das Bezeugen der Übung. Bin ich also im Hara, dann hat die Übung Hara als Schwerpunkt. Ich übe also Hara, jetzt ist Hara. So wird auf einmal Gassho tetto zu einem tiefen Einüben. Oder ihr seid in Einheit mit Herz und seid zutiefst berührt, danke, wunderbar so viel Dank, wie wunderbar, so ist Gassho tetto eine gigantische Übung. Vom absoluten Zen, vom absoluten Samadhi zum positiven Zen, zu positivem Samadhi und dann mehr und mehr Zen im Alltag. So ist auch die Übung des Aufstehens die gleiche Übung. Wie soll ich da mein Hara halten? Also ist zuerst der Do wichtig. Ich sitze auf einem Bänkchen, dann Gassho tetto im Hara, Bänkchen absetzen, Seiza. Nun gibt es zwei Möglichkeiten aufzustehen, einmal die Mönchsvariante und einmal die Bushido-Variante, Gassho tetto. Genauso auch wieder rückwärts und es ist auch gut, dass man den Körper dabei spürt. Das muss nicht perfekt sein, es geht nicht um die Perfektion sondern es geht darum, es soweit zu vereinfachen - wenn wir das Hara als Beispiel nehmen -, dass ich in dieser Bewegung das Hara halten kann oder in der Übung der Körperbetrachtung meinen Körper in seiner Klarheit sein lasse, ohne mich von ihm zu entfernen durch Gedanken und Gefühle. Der Do geht immer weiter, das ist Kinhin und dann die Künste. Eine gute Kunst, ein europäischer Do ist der Jogging-Do mit der Schrittfolge 3/2 Atem, 1, 2, 3 Hara, 4, 5 Einatem. Und so gibt es viele weitere Möglichkeiten auf asiatische Dos zurückzugreifen und bei uns im Daishin Zen noch viel interessanter, neue zu entwickeln. Zum Beispiel Core-Do, oder Liegestütz-Do, Jogging-Do, Walking-Do, Wandern-Do, und ich bleibe im Hara.

Der nächste Schritt ist Samu. Jetzt ist es ungeordneter, die Übung ist nicht einfach wiederholbar, sondern man schneidet einen Ast ab, es fällt einer runter, dann muss man runter klettern, dann fällt einer über den Eimer, dann sammelt man wieder alles auf. Ich erinnere mich daran, da war was mit Hara. Und das ist wunderbar. Üben heißt, auch eben bin ich aufgestanden - mal sehen ob ihr es gemerkt habt - da hat ganz kurz sich mein Koromo mit dem Stuhl verhakt, das sieht dann - habe ich gut getarnt - nicht so elegant aus. Aber das ist doch genau das, wenn wir das alles können würden, dann bräuchten wir doch nicht üben, dann wären wir Götter. Sofort Hara, sofort Erleuchtung, immer Erleuchtung. Gut, das streben wir an, aber wir sind Menschen, wir sind Menschen, so lange wir Hände haben die sich bewegen und Arme und Beine und Köpfe die sich drehen, werden wir Gefühle haben, Gedanken und wir unterliegen Täuschung und Unvollkommenheit. Es geht nicht darum, dass wir Kampfmaschinen werden, es geht um eine Übung, und es geht nicht um Perfektion. Wir sind nicht perfekt. Glaubt mir, es gibt Wesen, die beneiden uns darum, weil wir in diesem Sein was entdecken können, was für andere schwerer zu entdecken ist, die Buddha-Natur. Wunderbar. Samu ist großartig, es regnet, ich schiebe Scheiße durch die Gegend, ich habe das gehasst früher in Japan, aber irgendwann habe ich es verstanden - in Japan. Ich erzähle euch eine Geschichte. Wir waren im Laufschritt unterwegs durch die Holzgänge, die die einzelnen Gebäude des Hoko-Ji verbunden haben und ich hatte irgendwie große Steine aus irgendeinem Fluss rausgeholt um ein Wasserbecken zu bauen, damit wir – weil es sehr heiß war, 40 Grad - plantschen konnten. Das klingt jetzt albern, aber es war sehr anstrengend, und wir rannten durch die Gegend, und ich war völlig schweißgebadet, und dann hielten alle an, und da war so eine Kurve und ich kuckte dorthin, und dieser japanische Garten, in dieser wunderbaren Anlage des Hoko-Ji, da stand ein Baum, der im August rosa blühte, vollkommen rosa. Ich sah diesen Baum und der leuchtete auf, der ganze Baum leuchtete, es war ein Feld von Helligkeit und Licht und ich wusste, es gibt zwei Möglichkeiten, die eine ist ich übe Mu, und alles ist Nichts und alles ist weg und der Baum ist weg, oder aber ich bleibe stehen und guck den Baum an. Und beides ist total geil. Ich habe mich für Mu entschieden und wusste eines Tages wird … - Alles was altäglich ist, ist dieser leuchtende Geist, der alltägliche Geist ist dieser leuchtende Geist. Das ist wunderbar, deshalb bin ich so dankbar über diesen großartigen Weg und das Erbe des Ostens, das sich jetzt hier im Westen öffnet und erblüht.

 

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